Künstliche Intelligenz verspricht viel: mehr Effizienz, niedrigere Kosten und damit Wettbewerbsvorteile. Doch zwischen Theorie und Praxis klafft oft eine Lücke – gerade im internationalen Vergleich. Zwar ist Deutschland bei der ChatGPT-Nutzung führend, doch andere Länder haben bei der praktischen KI-Implementierung die Nase vorn. Allen voran die skandinavischen Länder: Finnland, Dänemark und Schweden belegen europaweit die Spitzenplätze in Sachen digitale Wirtschaft. Ein Blick nach Norden zeigt, was diese Unternehmen anders – und besser – machen.
Lieber schnell als perfekt sein
Finnische, dänische und schwedische Unternehmen lassen sich nicht von der Idee einer perfekten Softwarelösung blockieren – im Gegenteil. Sie wissen, dass Perfektion mitunter der Feind von Tempo, Wirkung und Mehrwert ist. Statt sich in monatelanger und teurer Planung zu verlieren, setzen sie auf iterative Methoden: meistens den Minimum-Viable-Product-Ansatz, wo sie Prototypen oder Betaversionen auf den Markt bringen, von einem kleinen, ausgewählten Kundenkreis testen lassen und das Produkt ad hoc anhand des Feedbacks optimieren.
Bei der iterativen Entwicklung geht es in der Regel um kleine Use Cases, die im Sprint-Verfahren getestet und verbessert werden. So rollen Unternehmen ihre KI-Projekte zwar schrittweise aus, jedoch verbessern sie dadurch das Kundenerlebnis viel schneller. Ein weiterer Vorteil: Mini-Piloten nehmen KI-Initiativen ihre Komplexität und beschleunigen so die Umsetzung.
Bei der skandinavischen Arbeitsweise stehen also frühe Nutzertests und unmittelbares Feedback ganz oben auf der Prioritätenliste. Ein pragmatischer Ansatz, der sich in dynamischen Märkten bewährt. So bleiben technologische Entwicklungen stets business- und kundenzentriert.
Nutzerfeedback als Ressource
Tana Oy ist auf Abfall- und Recyclingmaschinen spezialisiert. Das finnische Unternehmen gilt als Digital-Vorreiter seiner Branche und ist dafür bekannt, auf agile Prinzipien in der Produktentwicklung zu setzen. Es führte als eines der ersten Unternehmen in Europa eine KI-gestützte Fernwartung für seine Maschinen ein. So sparen Tana-Oy-Kunden Ressourcen ein. Dabei entwickelten die Finnen die digitale Plattform Tana ProTrack, ursprünglich ein einfaches Maschinen-Monitoring-Tool, durch Kundenfeedback kontinuierlich weiter. Und ergänzten die Plattform um KI-gestützte Predictive Maintenance und smarte Steuerungsfunktionen. Heute heißt die Plattform TanaConnect.
Dieses Beispiel zeigt, dass der iterative Entwicklungsprozess für erfolgreiche Projekte entscheidend ist. Nutzerfeedback wird nicht als lästiges Korrektiv betrachtet, sondern als wertvolle Ressource. Es fließt von Anfang an ein – und bleibt auch nach dem Launch ein integraler Bestandteil der Weiterentwicklung. Dieser iterative Ansatz ist nur möglich, weil die organisatorischen Strukturen in skandinavischen Unternehmen dafür geschaffen sind. Das Fundament bilden kleine, interdisziplinäre Teams, flache Hierarchien und eine freudige Experimentierkultur.
Partnerschaften statt Eigenentwicklung
Grundsätzlich wird in Skandinavien geschaut, was es schon an gängigen und etablierten Softwarelösungen gibt – und wie man bestehende KI-Lösungen smart integrieren kann. Für eine solche Herangehensweise ist die dänische Jensen-Group ein gutes Beispiel. Denn der Maschinenhersteller für Großwäschereien erkannte zwar, dass KI und Robotik enorme Entwicklungspotenziale für die Jensen-Produkte mit sich bringen, jedoch fehlte es an entsprechender Tech-Expertise inhouse.
Kurzerhand investierte Jensen in das dänische Tech-Unternehmen Inwatec, was auf KI und Robotik spezialisiert ist. Heute können die Maschinen des dänischen Herstellers unter anderem Schmutzwäsche automatisch sortieren und gefährliche Fremdkörper mit Hilfe von KI in der Wäsche finden. Das sorgt bei den Kunden für mehr Sicherheit, Effizienz und Produktivität – und die Jensen-Group stärkt mit diesem mutigen Schritt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Das Learning: Anstatt langjährige Eigenentwicklungen zu verfolgen, gilt es, bereits auf dem Markt vorhandene Softwarelösungen zu prüfen oder auch Partnerschaften mit passenden Tech-Unternehmen oder -Startups in Betracht zu ziehen.
Flache Hierarchien und offene Unternehmenskulturen
Zum skandinavischen Pragmatismus zählt, KI-Vorhaben auf den Kundennutzen auszurichten. Auch in Schweden wird das so praktiziert: Beispielsweise entwickelt das KI-Unternehmen Smart Eye AB aus Göteborg Human Insight AI, eine Technologie, die das menschliche Verhalten in komplexen Umgebungen versteht, unterstützt und vorhersagt. Und wo könnte diese Technologie nicht sinnvoller angewendet werden als beim Autofahren, wo es auch darum geht, Leben zu retten.
Die Smart Eye Driver Monitoring Systems analysieren mit Deep-Learning-Modellen Kopfposition, Blickrichtung und Körperhaltung, um Ablenkung und Müdigkeit beim Fahrer in Echtzeit zu erkennen und dem entgegenwirken zu können. Smart Eye setzt KI ein, um ein konkretes Problem rund um Fahrer- und Passagiersicherheit zu lösen. So hat es sich über 200 Aufträge von mehr als 19 Automobilherstellern gesichert, darunter BMW, Polestar und Geely.
Darüber hinaus zeichnet sich Smart Eye durch eine offene, teamübergreifende Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien aus, exemplarisch für viele skandinavische Unternehmen. Organisationen, in denen Wissen, Entscheidungen und Verantwortung geteilt und nicht über Führungsebenen verlangsamt werden, sind schneller in der Projektumsetzung.
Der Norden macht es vor – wir können mitmachen
Digitalisierung braucht keinen Masterplan in epischer Breite. Vielmehr zeigen uns die Skandinavier eindrucksvoll, dass es Mut bedarf, einfach zu machen und zu testen. Und Raum für Fehler – sowie Teams, die Verantwortung übernehmen dürfen. Stets dem Ziel folgend, in wenigen Wochen Ressourcen einzusparen und echten Mehrwert für Mitarbeitende und Kunden zu schaffen.

Der Artikel ist am 26. Juni 2025 auf t3n.de erschienen.
Künstliche Intelligenz verspricht viel: mehr Effizienz, niedrigere Kosten und damit Wettbewerbsvorteile. Doch zwischen Theorie und Praxis klafft oft eine Lücke – gerade im internationalen Vergleich. Zwar ist Deutschland bei der ChatGPT-Nutzung führend, doch andere Länder haben bei der praktischen KI-Implementierung die Nase vorn. Allen voran die skandinavischen Länder: Finnland, Dänemark und Schweden belegen europaweit die Spitzenplätze in Sachen digitale Wirtschaft. Ein Blick nach Norden zeigt, was diese Unternehmen anders – und besser – machen.
Lieber schnell als perfekt sein
Finnische, dänische und schwedische Unternehmen lassen sich nicht von der Idee einer perfekten Softwarelösung blockieren – im Gegenteil. Sie wissen, dass Perfektion mitunter der Feind von Tempo, Wirkung und Mehrwert ist. Statt sich in monatelanger und teurer Planung zu verlieren, setzen sie auf iterative Methoden: meistens den Minimum-Viable-Product-Ansatz, wo sie Prototypen oder Betaversionen auf den Markt bringen, von einem kleinen, ausgewählten Kundenkreis testen lassen und das Produkt ad hoc anhand des Feedbacks optimieren.
Bei der iterativen Entwicklung geht es in der Regel um kleine Use Cases, die im Sprint-Verfahren getestet und verbessert werden. So rollen Unternehmen ihre KI-Projekte zwar schrittweise aus, jedoch verbessern sie dadurch das Kundenerlebnis viel schneller. Ein weiterer Vorteil: Mini-Piloten nehmen KI-Initiativen ihre Komplexität und beschleunigen so die Umsetzung.
Bei der skandinavischen Arbeitsweise stehen also frühe Nutzertests und unmittelbares Feedback ganz oben auf der Prioritätenliste. Ein pragmatischer Ansatz, der sich in dynamischen Märkten bewährt. So bleiben technologische Entwicklungen stets business- und kundenzentriert.
Nutzerfeedback als Ressource
Tana Oy ist auf Abfall- und Recyclingmaschinen spezialisiert. Das finnische Unternehmen gilt als Digital-Vorreiter seiner Branche und ist dafür bekannt, auf agile Prinzipien in der Produktentwicklung zu setzen. Es führte als eines der ersten Unternehmen in Europa eine KI-gestützte Fernwartung für seine Maschinen ein. So sparen Tana-Oy-Kunden Ressourcen ein. Dabei entwickelten die Finnen die digitale Plattform Tana ProTrack, ursprünglich ein einfaches Maschinen-Monitoring-Tool, durch Kundenfeedback kontinuierlich weiter. Und ergänzten die Plattform um KI-gestützte Predictive Maintenance und smarte Steuerungsfunktionen. Heute heißt die Plattform TanaConnect.
Dieses Beispiel zeigt, dass der iterative Entwicklungsprozess für erfolgreiche Projekte entscheidend ist. Nutzerfeedback wird nicht als lästiges Korrektiv betrachtet, sondern als wertvolle Ressource. Es fließt von Anfang an ein – und bleibt auch nach dem Launch ein integraler Bestandteil der Weiterentwicklung. Dieser iterative Ansatz ist nur möglich, weil die organisatorischen Strukturen in skandinavischen Unternehmen dafür geschaffen sind. Das Fundament bilden kleine, interdisziplinäre Teams, flache Hierarchien und eine freudige Experimentierkultur.
Partnerschaften statt Eigenentwicklung
Grundsätzlich wird in Skandinavien geschaut, was es schon an gängigen und etablierten Softwarelösungen gibt – und wie man bestehende KI-Lösungen smart integrieren kann. Für eine solche Herangehensweise ist die dänische Jensen-Group ein gutes Beispiel. Denn der Maschinenhersteller für Großwäschereien erkannte zwar, dass KI und Robotik enorme Entwicklungspotenziale für die Jensen-Produkte mit sich bringen, jedoch fehlte es an entsprechender Tech-Expertise inhouse.
Kurzerhand investierte Jensen in das dänische Tech-Unternehmen Inwatec, was auf KI und Robotik spezialisiert ist. Heute können die Maschinen des dänischen Herstellers unter anderem Schmutzwäsche automatisch sortieren und gefährliche Fremdkörper mit Hilfe von KI in der Wäsche finden. Das sorgt bei den Kunden für mehr Sicherheit, Effizienz und Produktivität – und die Jensen-Group stärkt mit diesem mutigen Schritt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Das Learning: Anstatt langjährige Eigenentwicklungen zu verfolgen, gilt es, bereits auf dem Markt vorhandene Softwarelösungen zu prüfen oder auch Partnerschaften mit passenden Tech-Unternehmen oder -Startups in Betracht zu ziehen.
Flache Hierarchien und offene Unternehmenskulturen
Zum skandinavischen Pragmatismus zählt, KI-Vorhaben auf den Kundennutzen auszurichten. Auch in Schweden wird das so praktiziert: Beispielsweise entwickelt das KI-Unternehmen Smart Eye AB aus Göteborg Human Insight AI, eine Technologie, die das menschliche Verhalten in komplexen Umgebungen versteht, unterstützt und vorhersagt. Und wo könnte diese Technologie nicht sinnvoller angewendet werden als beim Autofahren, wo es auch darum geht, Leben zu retten.
Die Smart Eye Driver Monitoring Systems analysieren mit Deep-Learning-Modellen Kopfposition, Blickrichtung und Körperhaltung, um Ablenkung und Müdigkeit beim Fahrer in Echtzeit zu erkennen und dem entgegenwirken zu können. Smart Eye setzt KI ein, um ein konkretes Problem rund um Fahrer- und Passagiersicherheit zu lösen. So hat es sich über 200 Aufträge von mehr als 19 Automobilherstellern gesichert, darunter BMW, Polestar und Geely.
Darüber hinaus zeichnet sich Smart Eye durch eine offene, teamübergreifende Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien aus, exemplarisch für viele skandinavische Unternehmen. Organisationen, in denen Wissen, Entscheidungen und Verantwortung geteilt und nicht über Führungsebenen verlangsamt werden, sind schneller in der Projektumsetzung.
Der Norden macht es vor – wir können mitmachen
Digitalisierung braucht keinen Masterplan in epischer Breite. Vielmehr zeigen uns die Skandinavier eindrucksvoll, dass es Mut bedarf, einfach zu machen und zu testen. Und Raum für Fehler – sowie Teams, die Verantwortung übernehmen dürfen. Stets dem Ziel folgend, in wenigen Wochen Ressourcen einzusparen und echten Mehrwert für Mitarbeitende und Kunden zu schaffen.

Der Artikel ist am 26. Juni 2025 auf t3n.de erschienen.

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